03.04.2025 therapie LEIPZIG

Ins Leben zurück: Schlaganfall-Therapien nutzen Neuroplastizität

Das Gehirn besitzt lebenslang die Fähigkeit, sich neu zu organisieren und neue Verbindungen zwischen den Nervenzellen herzustellen. So kann es Schädigungen des Zentralnervensystems zum Beispiel nach einem Schlaganfall überbrücken. Wie man die Mechanismen der Neuroplastizität in der motorischen und kognitiven Rehabilitation mit Robotik-, Computer- und Virtual-Reality-gestützten Systemen in Kombination mit weiteren evidenzbasierten, in ihrer Wirksamkeit nachgewiesenen Therapieverfahren effektiv aktivieren kann, zeigen Patientinnen und Patienten vom 8. bis 10. Mai 2025 gemeinsam mit ihren Physio- und Ergotherapeuten in der Sonderschau „live PRAXIS neuroreha“ auf der therapie LEIPZIG. Eine von ihnen ist die 47-jährige Sabine E., der die Neurorehabilitation nach einem Schlaganfall zurück ins Leben half. Live gibt sie Einblick in ihr therapeutisches Training.

Kilometer um Kilometer rennt Sabine E. Irgendwann will die 47-Jährige den Halbmarathon schaffen. Doch eigentlich ist ihr ganzes Leben seit 2012 ein Langstreckentraining. Damals, vor über zehn Jahren, wachte sie nach einer Operation mit einer gelähmten linken Körperseite auf. Eine verletzte Arterie, ein Schlaganfall – und nichts war mehr wie zuvor. Rehabilitation, Physio- und Ergotherapie bestimmten ab sofort ihren Tagesablauf.

Alltag wiedererobern

„Alltägliche Bewegungen musste ich mühsam neu erlernen, habe geübt, geübt, geübt. Ich wollte doch meinen damals anderthalbjährigen Sohn versorgen können!“, erinnert sich Sabine E. Sie schaffte es aus dem Rollstuhl, lief erst am Gehstock, später ohne. Weil eine Fußheberschwäche sie immer wieder stolpern ließ, musste sie eine Fußheberorthese tragen. „Die meisten Therapeuten haben mir gesagt: Sei froh, dass Du das geschafft hast. Klar war ich froh, aber zufrieden war ich damit nicht! Ich wollte mein Leben zurück. Meinen Sohn schmerzfrei in den Arm nehmen, vielleicht sogar wieder High Heels tragen“, sagt Sabine E., die eine Erwerbsminderungsrente erhält, weil sie aufgrund ihrer Erkrankung weniger als drei Stunden am Tag arbeiten kann. In der Neurorehabilitations-Praxis THERAMotion, die für die Sonderschau „live PRAXIS neuroreha“ auf der therapie LEIPZIG verantwortlich ist, lernte sie 2015 neue computer- und robotikgestützte Therapiekonzepte kennen.

Mehr Motivation

„Das intensive Training mit Gangroboter und Exoskelett war neu und ungewohnt für mich. Im Exoskelett konnte ich wieder ganz aufrecht laufen! Ohne Angst, hinzufallen!“, berichtet Sabine E., die zusätzlich auf eigene Kosten eine dreiwöchige Intensivtherapie mit den Geräten absolvierte. „Ich wurde ganz neu motiviert. Die haben gesagt: Du willst in High Heels laufen? Bring sie mit!“ Ein digital gesteuertes Feinmotoriktraining für die Finger habe außerdem die Beweglichkeit der gelähmten Hand verbessert: „Ich habe einen Delfin gesteuert. Im Spiel wurde mir nicht ständig mein Defizit vor Augen geführt, sondern es hat einfach Spaß gemacht. Ich bin an meine Grenzen gegangen, war plötzlich viel freier.“

Noch viel erreichen

Inzwischen kann Sabine E. wieder in High Heels laufen – kurze Strecken, aber immerhin. Und sie braucht keine Fußheberorthese mehr. Ihren ersten 4,5-Kilometerlauf hat sie geschafft, im Team mit ihren Therapeuten von THERAMotion. Sie erhält zweimal pro Woche Physio- und zweimal Ergotherapie. Mit der gelähmten linken Hand kann sie an guten Tagen die Kaffeemaschine bedienen. Sie kann wieder mit links eine Gabel halten und essen. Seit 2018 arbeitet sie im Minijob in einem Pflegeheim, vor zwei Jahren hat sie eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Seelsorgerin abgeschlossen. „Ich möchte Mut machen!“, unterstreicht Sabine E. Auch wenn sie Rückschläge wie 2024 einen Sturz von der Treppe verkraften muss. „Ich trainiere weiter und optimiere gemeinsam mit meiner Therapeutin bzw. meinem Therapeuten mein Gangbild und probiere bei THERAMotion ein Training zur Sturzprophylaxe. Ich will noch viel erreichen!“ Der Halbmarathon bleibt eines ihrer Ziele.

Zeigen, was möglich ist

Sabine E. gehört zu den Patientinnen, die in der Sonderschau „live PRAXIS neuroreha“ auf der therapie LEIPZIG zu Gast sind. „Ich will zeigen, was möglich ist! Und ich möchte zum Nachdenken über neue Rehabilitationskonzepte anregen. Klar bin ich dankbar, dass das deutsche Gesundheitswesen so viele Versorgungschancen bietet. Würde man aber stärker in eine intensivere Erstversorgung und -therapie investieren, ließen sich vielleicht viele Folgeschäden mindern oder vermeiden. Vielleicht wäre ich bei einer früheren intensiven Therapie zum Beispiel nicht verrentet, könnte Vollzeit arbeiten und Steuerzahlerin sein.“

Moderne Neurorehabilitation im Fokus

Exoskelette, Gangroboter mit Pertubationstraining (= spezielles Stolpertraining), computergestützte und Virtual-Reality-Systeme für die ganzheitliche Behandlung der oberen und unteren Extremitäten sowie der posturalen Kontrolle (= Gleichgewicht) in Kombination mit aufgabenorientierter gerätegestützer Therapie im Live-Betrieb – auf der Sonderschau „live PRAXIS neuroreha“ baut THERAMotion Maik Hartwig, eines der modernsten Therapieinstitute für Neurorehabilitation, eine Behandlungspraxis mit rund 20 Hightech-Geräten für neurologische und neuroorthopädische, ICF*-orientierte Behandlungen und Assessments (= klinische Diagnostik anhand von zuverlässigen, wirksamkeitsnachgewiesenen Befunden) auf. Die Sonderschau lässt hautnah am Therapiealltag von Patientinnen und Patienten teilnehmen – von Befund bis Therapie. Ergänzt wird die in die therapie LEIPZIG eingebettete Sonderfläche durch Produktpräsentationen namhafter Hersteller. Hintergrundinformationen, unter anderem mit neuesten Entwicklungen im Bereich der ICF-orientierten Digitalisierung, liefert ein Podium mit Kurzvorträgen, öffentlichen Diskussionen und Fallbeispielen. Auf diesem wird unter anderem Sabine E. sprechen.

* ICF = International Classification of Functioning, Disability and Health (Internationale Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit) ist ein internationales Klassifikationssystem der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Damit lassen sich die Folgen, die eine Erkrankung auf die Körperfunktionen, Aktivität und Teilhabe eines Menschen hat, einheitlich und standardisiert erfassen und beschreiben.

Austausch erwünscht

„Wir freuen uns sehr auf den fachlichen Austausch auf der therapie LEIPZIG!“, erklärt Maik Hartwig, Fachdozent für Neurorehabilitation, wissenschaftlicher Fachprüfer an der IU (Internationale Hochschule), Fachbuchautor sowie Gründer und Inhaber von THERAMotion und ergoseminar. „In den letzten Jahren sind die Akzeptanz und das Interesse an Robotik-, Computer- und Virtual-Reality-gestützten Therapieverfahren in der Neurorehabilitation massiv gestiegen, bei Therapeuten als auch bei Patienten. In unserer Sonderschau kann jeder live beobachten, wie effektiv der Einsatz solcher evidenzbasierter, also in ihrer Wirksamkeit nachgewiesenen Behandlungsmethoden bei verschiedensten Krankheitsbildern ist – von Schlaganfall über Schädel-Hirntrauma bis Long Covid. Dies kombinieren wir mit klassischen Therapieverfahren mit interner Evidenz, denn Erfahrung und Technik schließen sich überhaupt nicht aus!“ Letztlich zähle, was die Patientinnen und Patienten erreichen möchten und auf welchem Weg dies am besten realisierbar ist, sagt Hartwig und ergänzt: „Einmischen, nachfragen, diskutieren sind in der Sonderschau ausdrücklich erwünscht.“

Das Potenzial für therapeutische Interventionen ist groß, denn laut Statistischem Bundesamt (Destatis) lebten zum Jahresende 2023 rund 7,9 Millionen Menschen mit schwerer Behinderung** in Deutschland – 9,3% der Gesamtbevölkerung. 58% von ihnen mit einer körperlichen Behinderung. Neun von zehn schweren Behinderungen werden nach Angaben von Destatis durch eine Krankheit verursacht.

** Als schwerbehindert gelten Menschen, denen die Versorgungsämter einen Behinderungsgrad von mindestens 50 zuerkannt sowie einen gültigen Ausweis ausgehändigt haben.

therapie LEIPZIG 2025_PM_Patientengeschichte Neurorehabilitation (DOCX, 420 kB)

Sabine E. im Gangtrainer auf der therapie LEIPZIG 2023. Auf der therapie LEIPZIG zeigt THERAMotion in der Sonderschau „live PRAXIS neuroreha“ moderne Neurorehabilitation im Livebetrieb.

Ansprechpartner

Tirza Berger
Pressesprecherin
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